Was ist philosophisches Forschen?
Was philosophisches Forschen ist und was es nicht ist, darüber gibt es unterschiedliche Meinungen. Während einige meinen,
philosophisches Forschen beschränke sich auf systematisches Denken, dem ein zuvor erlerntes „System“, eine strenge Methode, zugrunde
liegt, vertreten andere wiederum die Ansicht, dass philosophisches Forschen, sofern es bei sich allein bleibt, nicht mehr zeitgemäß ist
und seine relevante Bedeutung im interdisziplinären Prozess zu finden sei. Es gibt aber auch die Ansicht, dass es so etwas wie
philosophisches Forschen nie gegeben hat und auch nie geben wird, da Philosophie lediglich, wie Hegel es geschrieben hat, „ihre Zeit in
Gedanken fasst“, also die Welt nur beschreibt, nicht aber erforscht.
Und auch der Versuch, die Antworten auf die Frage nach philosophischem Forschen zusammen zu tragen, ist selbst kein
philosophisches Forschen, da ja noch nicht entschieden ist, was es ist.
Je nachdem, welchen Standpunkt man einnimmt, in welcher Schule man herangebildet wurde, erhält philosophisches Forschen so seinen
Inhalt, seine Definition. Wir können uns nun für eine „Seite“ entscheiden, was zwar Sicherheit im weiteren philosophischen Tun
verspricht, aber dennoch keine Gewissheit bringt. Denn solange der Widerstreit besteht, bleibt immer eine Restunsicherheit, die andere
Seite der Medaille, das „Sonstige“ ohne das keine Statistik auskommt. Solche Unentscheidbarkeiten ziehen sich durch die gesamte (Philosophie-)Geschichte und daher kommt es auch, dass wir uns heute noch Gedanken über jene Dinge machen, die von Thales bis gestern zahlreiche Köpfe rauchen ließen. Das führt zur Annahme, dass der Sinn philosophischer Auseinandersetzung gerade nicht darin besteht, letztgültige Antworten zu finden, sondern den Widerstreit aufrecht zu erhalten. Die Unterschiede sind es, die uns zum Nachdenken anregen und Motivation zum „Weitermachen“, zum Prüfen und Neuerfinden bieten.
Andererseits können wir uns auch, in der Tradition der pyrrhonischen Skepsis, darüber zurückhalten und zeigen und zugeben, dass etwas
eben unentscheidbar ist. Angesichts der vorhandenen Meinungen scheint die Zurückhaltung nicht die schlechteste Wahl zu sein.
Natürlich wird sofort die Frage aufkommen, was es denn „bringt“, sich zurückzuhalten? Wofür ist Zurückhaltung „nützlich“?
Zurückhaltung bedeutet weder Stillstand noch Ignoranz. Die Zurückhaltung erfolgt auch nicht prophylaktisch, sondern nach
Prüfung und Darlegung dessen, worüber man sich zurückhält (man „tut“ also doch etwas), und sie ist eine adäquate Haltung, den Widerstreit
auszuhalten, bzw. mit ihm auszukommen und ihn zu organisieren. Wobei ebenso zugegeben werden muss, dass auch die skeptische
Zurückhaltung eine Entscheidung ist, wiewohl sie weder für das Eine noch das Andere entschieden hat, sondern für ein Drittes, in dem
sich in dialektischer Manier das Eine und das Andere aufheben. Der Unterschied wird akzeptiert ohne dem Einen oder Anderen einen Vorzug
zu geben, bzw. für das Eine und gegen das Andere zu sein. So werden alle Seiten gleichberechtigt.
Oder man geht den unkonventionellen Weg, Philosophie und Kunst zu verknüpfen, wie es etwa die Philosophischen Versuchsreihen tun, um
Philosophie neu erlebbar zu machen. Es ist über philosophisches Forschen noch lange nicht alles gesagt und diese blitzlichtartige Einführung in die Thematik kann sie auch nicht restlos abbilden. Sie will sich nur einem der Kerne philosophischer Praxis annähern, nämlich dem (noch nicht entschiedenen) Widerstreit der Meinungen zu einer Sache und den
möglichen Umgängen damit.
„Philosophie ist anders – aber nicht als man denkt“ illustriert sehr treffend die Art und Weise der Philosophinnen und Philosophen, wie
sie disziplinär, inter- und transdisziplinär seit mittlerweile mehr als 2000 Jahren weltweit agieren.
(Auszug aus dem Programmheft der Langen Nacht der Forschung in Kooperation mit dem Institut für Philosopie der Uni Klagenfurt, 2008)
Station EINGRIFF
Anleitung: Streifen Sie sich einen Schutzhandschuh über, nähern Sie sich der Black Box, die in diesem Fall aber silberfarben ist und wagen Sie den Eingriff.
Um sich besser auf den Tastsinn konzentrieren zu können, wird empfohlen die Augen zu schließen und sich nicht von Kommentaren der sie umgebenden Menschen ablenken zu lassen.
Prinzipiell können Sie den Versuch aber auch mit allen Sinnen ausführen. Hören, Sehen und Riechen sollten hierbei unproblematisch sein, Schmecken ist zwar möglich, wird aber nicht empfohlen. (Es wird darauf hingewiesen, dass der Verein „Philosophische Versuchsreihen“ im Allgemeinen, noch ich im Besonderen nicht für irgendwelche Schäden, welcher Art auch immer, zur Verantwortung gezogen werden können. Teilnahme an der Versuchsreihe auf eigene Gefahr.
Warum ist der Tastsinn so wichtig? Schon Aristoteles beschäftigt sich in seiner Schrift „de anima“ „Über die Seele“ ausgiebig mit den Sinnen und insbesondere mit dem Tastsinn und seinen Besonderheiten. So schreibt er beispielsweise in Buch 2 Kapitel 3: „Wem aber Wahrnehmung zukommt, dem kommen auch Lust und Schmerz, sowie das Lustvolle und Schmerzvolle zu.“ und weiter unten „…sei soviel gesagt, dass den Lebewesen die Tastsinn haben auch Streben zukommt“. Das schließt auch die Begierde mit ein, denn diese sei das Streben nach dem Lustvollen.
Andere behaupten, das Sehen sei der Königssinn, als Brillenträger folge ich persönlich diesem Postulat nur so weit, wie ich ohne Brille scharf sehen kann, also begrenzt, oder auch das Hören, aber wer nicht gerade ein absolutes Gehör sein eigen nennt, wie es bei manchen Komponisten der Fall sein soll, oder ein olfaktorisches Talent hat wie Jean Baptiste Grenouille, der fährt mit dem Tastsinn ganz gut. Auch ist er meiner Meinung nach der 1. Sinn, den wir schon im Mutterleib bekommen, lange bevor sich z.B. unsere Augen ausgebildet haben und der letzte Sinn, der uns verlässt, wenn wir im Alter, durch grauen Star erblindet und praktisch taub in Erwachsenenwindeln, vor uns hinvegetieren. Gut, das mag jetzt Spekulation sein, ich habe keine Erinnerung an meine Zeit im Mutterleib, schließlich bin ich nicht der kleine Blechtrommler von Günter Grass.
Ich könnte aber auch argumentieren, dass in den anderen Sinnesorganen immer ein Teil Tastsinn vorhanden ist. Wer das nicht glaubt hatte noch nie einen Fremdkörper im Auge, den sieht man zwar nicht, aber fühlt, dass er da ist. Optional können Sie sich auch einmal im Selbstversuch ein Wattestäbchen zu tief ins Ohr einführen. (Bitte beachten Sie jedoch den Haftungsausschluss, siehe oben) Das hören Sie zwar kommen, aber die Wahrnehmung des Schmerzes ist doch von einer anderen, stärkeren Qualität als das bloße Hören an sich.
Die Haut ist immer noch das größte Organ und wenn wir das Wort „Organ“, organon mit seiner Urbedeutung, also als Werkzeug verstehen, unser größtes Werkzeug der Wahrnehmung, z.B. warm, weich und feucht, was in einem erotischen Kontext etwas großartiges sein kann. (weich mit Einschränkungen, zumindest für den männlich aktiven Teil, sofern vorhanden). Warm, weich und feucht, als sinnliche Erfahrungen, sind natürlich auch in anderen Zusammenhängen denkbar z. B. wenn Hermann Nitsch ein Tier ausweidet oder siehe Stichwort „Erwachsenenwindel“ weiter oben im Text.
Auch sprachlich hat der Tastsinn Würdigung erfahren, denn es ist kein Zufall, dass wir Redewendungen wie „etwas begreifen“ verwenden. Bei Kleinkindern ist oft zu beobachten, dass sie etwas neues Unbekanntes erst betatschen und dann in den Mund nehmen, um auch noch andere Sinneseindrücke zu erhalten. Genau hier findet es statt, dieses philosophische Staunen (thaumázein), von dem Aristoteles sagt, es sei der Beginn der Philosophie.
Natürlich werden wir manchmal auch in die Irre geführt, von unseren Sinnen im Stich gelassen, aber wenn man schon im Irrtum ist, heißt das nicht automatisch, man können keinen Spaß haben, oder um es mit den Worten eines deutschen Kabarettisten zu sagen, bekannt unter seinem Pseudonym „der Niederbayer“: „Lieber freiwillig schuld, an einem Leben, das Spaß macht, als unfreiwillig unschuldig, an traurigen Verhältnissen!“ Im Idealfall spielen die Sinne zusammen, wie in einem Orchester, in der Jugend, die Wiener Philharmoniker, im Alter eher das Schulorchester von den Simpsons, aber auch der Ausfall einzelner Sinne lässt sich teilweise kompensieren, so ist es beispielsweise faszinierend zu sehen, wie jemand mit den Fingern Brailleschrift liest.
Über den Geruchssinn habe ich bisher noch kaum etwas geschrieben, obwohl gerade hier überwältigende Sinneseindrücke möglich sind, z.B. der Geruch von frisch gebrühtem Kaffee, frisch gebackenem Brot, oder feiner, die Bettwäsche, die nach dem Weichspüler riecht, der Lebensmensch, der verschwitzt neben einem liegt.
Die Sinne sind die Pforten unserer Wahrnehmung, auf englisch THE DOORS of perception und wie Jim Morrisson so treffend singt: „Come on baby, light my fire!“ Keine Sorge, es geht ganz leicht, oft genügt schon ein Funke, vor allem wenn es ein platonischer ist.
Station Das rollende Labor-Vorzimmer
Dosen, Gläser, Schachteln und Körbe, allerlei Salben, Pulver, Räucherwaren und Tinkturen fanden neben Instrumentarien zum Zerstoßen, Sezieren und Verrühren, zwischen Kesseln und Töpfen, verstaubten Büchern und Notizen ihren Platz im früheren Laboratorium. Den durchwegs universal-gelehrten Alchemisten (bewandert in den 7 freien Künsten (lateinisch Septem artes liberales : Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Musik, Astrologie. Als Vorbereitung auf die eigentlich wissenschaftlichen Fächer: Theologie, Jura, Medizin) diente das meist etwas entlegene, Außenstehenden oft mysteriös anmutende Laboratorium zu Tätigkeiten hinsichtlich ihres Bestrebens unedle Stoffe (Holz, Stein, Wasser, Humus, Kot) in edle Stoffe (Gold, Diamanten) zu verwandeln.
Die sprachlich heute geläufigere Kurzform Labor (vom lateinischen labor „Anstrengung, Mühe, Last, Arbeit“) verweist auf eine reale „Verkürzung“; eine Reduktion und Spezialisierung der Tätigkeiten im Labor. Aus dem Alchemisten wurde der populärwissenschaftliche Spinner und die Labore sind inzwischen zu den Hochheitsgebieten der Experten und Fachgelehrten, der Chemiker im Chemielabor, der Biologen im Biologielabor geworden. Eine die beiden Forschungswerkstätten verbindende Gemeinsamkeit ist nach wie vor die Tatsache dass der Eintritt üblicherweise nur Eingeweihten gewährt wird.
Die Philosophen als so genannte Geisteswissenschafter tragen ihre Laboratorien meist im Kopf bei sich. Ein Umstand den der Begriff des Gedankenexperiments zu verdeutlichen sucht.
Weniger experimentell, immer häufiger jedoch nach abenteuerlichen Rezepturen geht es im Eislabor zu. Vielleicht, um sich besser von den Köchen zu unterscheiden, bestanden die ersten sizilianischen Eiserzeuger darauf ihren Arbeitsplatz eben nicht Küche sondern Labor zu nennen. Oder vielleicht weil…
Die sowohl namentlich als auch technisch veraltete Lavor (auch bekannt als Lavur oder Lavoir), ja wie passt die hierher? Was denken Sie? Gedankliches experimentieren beginnt – jetzt.
Station Museum
Museen als Orte der Bewahrung, der Sammlung und der Präsentation von Kunst haben eine eigene Aura. Häufig sind es riesige feudale Bauten, die bereits bei deren Anblick Ehrfurcht erbieten. Doch nicht durch die äußere architektonische Erscheinung erlangen die heiligen Hallen ihre Weihen. Viel mehr die darin bewahrten, gesammelten und präsentierten Werke der Kunst und Kultur lassen uns Menschen staunen und oft sprachlos werden.
Das Museum – ursprünglich Museion, welches in der griechischen Antike als Heiligtum der Musen galt – hat derzeit vermehrt Probleme, sich gegen die heute vorherrschende Eventkultur durchzusetzen. Man möchte unterhalten, animiert werden, sich nicht weiter mit kritischen, tiefgehenden Themen auseinander- setzen. Auf der anderen Seite konnte man Museen zumeist als Stätte der wissenschaftlichen Selbstbeweihräucherung und der Elite ausmachen: lange Zeit hingen die einzelnen Exponate dort ab oder standen in der Gegend herum. Mit Texten versehen, welche ohne einschlägiges Studium nicht bewältigbar waren. Inzwischen wird Kunst und Kultur von ihrem todesähnlichen Schlaf erweckt und schmackhaft für Interessierte aufbereitet. Für Künstler haben diese heiligen Hallen auf jeden Fall eine marktwirtschaftliche Komponente: werden Werke für Wert befunden, bewahrt, gesammelt und präsentiert zu werden, bedeutet es für den einzelnen Künstler eine Steigerung seines Marktwertes.
Durch das Bewahren der Kunstwerke wirkt ein Museum genau gegen den Prozess des Verwesens. Die Arbeiten der Künstler werden konserviert um möglichst lange für die Nachwelt erhalten zu bleiben. Verliert das eine oder andere Stück seinen Glanz oder nagt der Zahn der Zeit an ihm, wirken professionelle Restauratoren diesem Verlauf entgegen. Die museale Aufbewahrung von Kunst- und Kulturzeugnissen hat einen Ewigkeitsanspruch und je älter die einzelnen Stücke, je wertvoller sind sie. Eine museale Dokumentation von künstlerischen Arbeiten und Forschungen ist zum einen das Ende eines Prozesses, kann diesen zum anderen aber auch zum Forttreiben anregen. Gerade das Verwesende hört nie auf zu werden, zu sein und schließlich gewesen zu sein um wieder zu werden,… und so fort.
Hier, in diesem Museum dürfen wir Sie einladen, in unsere konservierte Kunst des Verwesens einzusteigen.
Station Erkenntnis
Kontrast, Bewegung und Rhizome
_entspricht die Wahrnehmung des projizierten Kontrasts auch der Wahrnehmung von Kontrast in realer Natur?
_worin unterscheidet sich die Wahrnehmung von natürlichen Räumen und visuellen Räumen?
_welche Rolle spielt Bewegung in der Natur – und welche für die künstliche Projektion?
_gibt es möglicherweise ein gemeinsames Ganzes – welches sich eher rhizomatisch verhält (Pilzgeflecht) – [Pilze, Sträucher, Bäume und Insekten] oder ist es einfach ein nebeneinander einzelner Teile?
_welche Oberflächenformationen können wir wahrnehmen – können Vorstellungsanalogien auftreten oder handelt es sich einzig um Entitäten? _und wenn, welche Vorstellungsformationen stellen sich ein – z.B. durch Wahrnehmung der weißen Punkte bei den Fliegenpilzen?
_und wie verhält es sich mit Illusion und Täuschung?
Philosophisches Forschen: Ein transorganisches Rätsel
Das transorganische Rätsel besteht aus einem Objekt, genauer einer leeren Provette, die mit der Anweisung, sie am Weg auf der Suche nach dem Institut für Philosophie zu füllen ohne sie zu öffnen, ausgegeben wird. Das Objekt für sich hat keinerlei Bedeutung. Durch die Aufgabenstellung erfährt es jedoch eine Aufwertung und das in mehrerer Hinsicht: plötzlich stellt das Objekt eine Herausforderung ans Denken dar; es unterwirft den Geist und fordert ihn zugleich zur Auseinandersetzung heraus; es wird gleichsam Begleiter und Begleitetes.
Des Rätsels Lösung: der Inhalt des Objekts muss hineingesagt werden, erinnert oder vorgestellt – oder Nichts bleiben. Damit vollzieht der Rätsellöser eine Reihe von Schritten, die für Philosophinnen und Philosophen charakteristisch sind: Sich auf die Suche begeben, über etwas nachdenken, sich selbst dazu in Beziehung setzen, kreativ werden und möglicherweise auch scheitern.